Postnatale Depression: Wenn nach einer Geburt nichts mehr okay ist

Karim Taha
Karim Taha

Im Prinzip ist alles okay: Das sagt sich Miryam, die Protagonistin des gleichnamigen Debütromans von Yasmin Polat. Nach außen mag es auch so wirken. Doch die Realität sieht etwas anders aus. Miryam ist gerade Mutter geworden. Sie kann nicht stillen, in ihrer Beziehung gibt es häufig Streit - und Miryam ist an einer postnatalen Depression erkrankt. Über psychische Erkrankungen wird ungern gesprochen. Gerade, wenn die Betroffenen Mütter sind, ist es immer noch ein Tabuthema. Wie entsteht eine postnatale Depression, was sind die Symptome - und wo bekommen Betroffene Hilfe? Ein Überblick.

"Damit will niemand etwas zu tun haben. Erst recht nicht, wenn man ein Kind bekommen hat. Da hat man eben Verantwortung für jemand anderes, man hat nonstop glücklich und gesund zu sein - und da wird’s dann nochmal schwierig in der Beurteilung." Das sagt die Autorin Yasmin Polat im Interview mit dem GOYA Verlag zu ihrem Debütroman Im Prinzip ist alles okay. Ihre Protagonistin Miryam macht sich viele Gedanken darüber, wann sie als Mutter "richtig" und wann sie "falsch" ist - meistens fühlt sie sich falsch. Ihre Gefühle überwältigen sie. Ihr drängen sich irrationale Ängste auf. "Ich kann das leider nicht kontrollieren. Die Tränen laufen einfach, seit Monaten, bestimmt einmal am Tag", erzählt Miryam. Der ganze Roman ist aus ihrer Ich-Perspektive erzählt. "Auch die Bilder in meinem Kopf ploppen auf, wie sie wollen: Bam, ein Säugling an Schläuchen und einem Sauerstoffgerät, mein Baby. Bam, mein kleines Baby, wie es mir plötzlich aus den Armen fällt, vom Balkon stürzt, qualvoll in der Badewanne ertrinkt. Bam, kleine Gebeine, Baby-Gehirn auf dem Asphaltboden in unserer Straße, Blut, Geschrei, mein eigener Tod wegen Trauer und Schmerz. Diese Gedanken und Bilder kommen, wann und wo sie wollen."

Miryam kämpft mit Gewalterfahrung, die sie in der Familie gemacht hat. Dieses Generationentrauma möchte sie brechen. Sie möchte alles besser machen, doch es gelingt ihr nicht, ihren eigenen, (zu) hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Sie wiederholt zum Teil das, was ihre Eltern getan haben. Hinterher kann Miryam es selbst kaum nachvollziehen - etwa als sie wutentbrannt rote Granatapfelkerne an die weiße Wohnzimmerwand schleudert. "Papa hat damals immer seine Kaffeetassen an die Wand geschmissen; ich schmeiße jetzt mit Granatapfelkernen."

Eine Depression, die in den ersten Wochen nach der Geburt auftritt, wird postnatale, postpartale oder Wochenbettdepression genannt. Nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe entwickeln 10 bis 15 Prozent der Frauen nach einer Geburt eine solche Form der Depression. Miryams Hebamme macht ihr anfangs noch Mut. Dieser "Baby-Blues" sei vorübergehend. "'Du musst eben noch die schwierige Geburt verarbeiten, Mama-Bär', sagte sie bei ihrem letzten Besuch vor Monaten mit säuselnder Stimme, als ich im Bett lag und meine Augenringe wieder ganz wund und klebrig waren von all den Tränen. 'Du bist eine frischgebackene Mama, das ist ein Ritus im Frausein, eine Urkraft in uns, die da freigesetzt wird! Das kann einen schon mal überwältigen.'" 

Doch der "Baby-Blues" und eine Depression sind nicht das Gleiche. Eine kurzfristige depressive Verstimmung, der "Baby-Blues", tritt laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe bei bis zu 80 Prozent aller Mütter auf. Stimmungsschwankungen, Ruhelosigkeit und häufiges Weinen trügen dabei die Freude über das Kind. Der "Baby-Blues" klingt nach kurzer Zeit ohne Behandlung wieder ab - eine postnatale Depression nicht. Sie ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die behandelt werden muss.

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