Dieser Roman lag ihr am Herzen: Christiane Franke über "Endlich wieder Meer" und ihr Leben als Autorin

Portrait von Christiane Franke Christiane Franke
Portrait von Christiane Franke Christiane Franke

In ihrem Roman Endlich wieder Meer erzählt Christiane Franke von einer Frau, die zwischen zwei Leben steht und ihre Zukunft in die Hand nimmt. Es ist eine Geschichte über die Bedeutsamkeit der Familie und die Kraft der Versöhnung. Wie es dazu kam, dass sie als Krimi-Autorin das Genre wechselte, wo sie am liebsten schreibt und an welchen Orten sie Inspiration findet, hat Christiane Franke im Interview erzählt.

Sie haben schon viele Krimis geschrieben. In Endlich wieder Meer geht es nicht um einen Kriminalfall. Wie kam es zu diesem Wechsel des Genres?

Das war ein Buch, das mir sehr am Herzen gelegen hat. Ich kann gar nicht genau erzählen, warum das so war. Das war dieses Thema mit dem Vater und der Tochter, das hatte mich einfach irgendwie gepackt. Und ich habe gedacht: "Wie ist es denn, wenn man als Tochter weit weg wohnt und der Vater wird plötzlich krank und man hatte diese Auseinandersetzung, diesen Streit?" Die haben sich ja über Jahre nicht gesehen. Das war einfach ein Buch, dass ich unbedingt schreiben musste, und deswegen habe ich es geschrieben (lacht).

Sind Sie an das Schreiben von Endlich wieder Meer anders herangegangen als an Ihre Kriminalromane? Wenn ja, wie unterschied sich die Herangehensweise?

Das ist von daher ja ganz anders, weil so ein Roman wie Endlich wieder Meer in einem Fluss erzählt wird. Natürlich habe ich da verschiedene Handlungsstränge drin, also der in der Steiermark spielt, der in Hooksiel spielt. Aber ich kann das geradliniger erzählen, als wenn ich einen Krimi schreibe. In einem Krimi muss ich ja mehrere Verdächtige haben, die dann in Frage kämen, das Opfer getötet zu haben. Das muss ich ganz anders aufbauen. Das schreibt sich von daher auch komplett anders.

In Endlich wieder Meer geht es um eine zerrüttete Vater-Tochter-Beziehung. Was hat Sie an dieser Konstellation so sehr interessiert, dass Sie darüber schreiben wollten?

Das sind zwei Sachen. Das eine ist das Innenleben von Katharina, die sich ja immer gewünscht hat, dass das Verhältnis zu ihrem Vater wieder besser wird. Das andere ist ja das Thema mit der Werft, dass da ihr Cousin ein bisschen ein heimtückisches Spiel treibt. Das hat mich so angesprochen. Dabei muss ich dazu sagen: Ich habe zu meinem eigenen Vater ein wunderbares Verhältnis! Es ist nicht so, dass ich da irgendetwas aufarbeiten muss. Also es hat mit mir als Person auf der einen Seite ja gar nichts zu tun, weil mein Privatleben da komplett in Ordnung ist, und auf der anderen Seite hat es irgendwie doch ganz viel mit mir zu tun. Ich kann das gar nicht genau betiteln: Das war ein Thema, das hat mich angesprungen, und das musste ich einfach schreiben!

Und dann ist da eben einfach auch diese Zerrissenheit von Katharina. Die kommt ja auch wirklich in Schwierigkeiten. Nicht nur, weil ihr Vater, als sie bei ihm ankommt, im Koma liegt. Sondern sie bekommt ja auch noch mit, dass ihr Mann mit ihrer vermeintlich besten Freundin fremdgeht. Dann ist sie hin- und hergerissen: Was mache ich jetzt? Wie verhalte ich mich richtig? Wie gehe ich mit dieser Situation um? Muss ich vielleicht nach Österreich zurück, um mich da zu kümmern, aber andererseits liegt mein Vater hier, vielleicht im Sterben. Diese Zerrissenheit fand ich sehr interessant.

Wenn Sie erzählt haben, dass das das Thema Ihres Romans ist, wie waren dann die Reaktionen? "Oh ja, spannend!"? Oder waren da auch Leute dabei, die gesagt haben: "Das ist aber schwierig als Thematik"?

Das ist eigentlich kein Thema, das ich bei mir im Bekanntenkreis erzähle. Meine Bücher sind meine Sache. Dieses Buch habe ich allerdings in einem Autor*innenkreis, mit dem ich mich einmal im Jahr treffe, vorgestellt und gefragt: "Was haltet ihr davon?" Und die meinten: "Mensch, das hört sich gut an!" Das ist dann ja aber auch ein Kreis von Kolleg*innen, die einen anderen Blickwinkel auf Geschichten haben, als wenn ich das jetzt so im Bekanntenkreis erzähle.

Was würden Sie sagen: Welche Figur macht in Endlich wieder Meer die interessanteste Entwicklung durch?

Auf jeden Fall Katharina. Und dann ist es auch ihre Tochter. Sie hat in Österreich eine Beziehung zu einem verheirateten Lehrer und denkt sich - wie junge Mädchen manchmal so sind, das gehört auch mit dazu - das ist die Liebe ihres Lebens, der liebt sie. Es sind ja schon ganz viele Frauen darauf hereingefallen, dass Männer gesagt haben: "Du bist eigentlich die Beste für mich, aber ich kann meine Frau nicht verlassen." Dementsprechend sind diese beiden Frauenfiguren diejenigen, die da am meisten Entwicklung durchmachen.

Und in dem Folgeband, den ich ja gerne, gerne schreiben möchte, sobald ich es zeitlich schaffe - angefangen habe ich schon damit - da ist es dann auch so, dass die Tochter nach Hooksiel kommt und sie bleibt auch erst einmal da. Also dass die beiden Frauen dann an einem Ort zusammen sind.

Katharina ist eine Figur, die sich zwischen zwei "Welten" entscheiden muss. Gab es ein reales Vorbild für Katharina?

Nein. Die Entscheidung ist ja von daher so schwerwiegend, weil es um den Vater geht. Es geht nicht um den Ort, an dem sie lebt. Da gibt es ja viele, die sagen, wir ziehen woanders hin, oder auch ganz weit weg. Hier geht es ja um den inneren Zwiespalt, den sie irgendwie bewältigen muss. Da gab es jetzt nichts, wo ich sage, das hätte ich an der einen oder anderen Stelle gesehen und das möchte ich jetzt gern umsetzen.

Haben Sie denn persönlich eine Strategie, wenn Sie eine schwierige Entscheidung treffen müssen?

Ich versuche, immer wenn eine schwierige Entscheidung ansteht, Herz und Kopf zusammen entscheiden zu lassen, obwohl ich eigentlich auch bei Entscheidungen eher ein rationaler Mensch bin und die Vor- und Nachteile abwäge. Aber ab und zu ist es so, dass die Gefühle dann nicht so mitspielen, und dass die sagen: "Ja, natürlich, es wäre jetzt vernünftiger, so zu entscheiden, aber … nee, geht nicht!" (lacht)

Wenn Sie schreiben, was ist zuerst da? Die Geschichte, die Figuren? Oder alles gleichzeitig?

Das ist ganz unterschiedlich. Bei Endlich wieder Meer, da war einfach die Geschichte mit den Figuren da. Das hat mich halt so angesprungen.

Bei einigen Kurzkrimis, die ich geschrieben habe, da war es die Figur, die da war. Ich hatte von so einer Figur in der Zeitung gelesen. In Ostfriesland ist es zum Teil Brauch, wenn jemand verstorben ist, dass einer aus dem Dorf rumgeht, bei jedem klingelt und sagt, die Person ist gestorben. Der kommt mit einem schwarzen Anzug und einem Zylinder. Überall gibt es dann einen Schnaps und die Menschen sprechen über den Verstorbenen. Das fand ich so klasse, und dann war die Figur da. Ich habe überlegt: "Was mache ich jetzt damit? Wie baue ich die Figur in die Kurzkrimis ein?" Ja, da war es die Figur.

Und in den Kriminalromanen ist es das Grundthema, was mich da interessiert, die Person des Täters - und vor allem die Person des Opfers. Das Opfer ist ja eigentlich die wichtigste Figur in der Handlung des Kriminalfalls, weil dieses Opfer ja irgendwie ein Mensch gewesen sein muss, der sich nicht überall beliebt gemacht hat, weil sonst ja nicht ein, zwei oder drei Personen verdächtigt würden, ihn oder sie umgebracht zu haben. Von daher ist also das Opfer eine wichtige Figur, aber eigentlich suche ich mir erst einmal das Thema: Worum soll es jetzt gehen?

Gibt es denn ein Thema oder mehrere Themen, über das oder die Sie unbedingt noch schreiben wollen?

Ich habe einige Ideen und die habe ich auch schon skizziert. Die möchte ich auch gerne schreiben, auch im Bereich des Romans, also abseits vom Krimi. Ideen gibt es da schon einige.

Ist es für Sie auch denkbar, eine Geschichte mal in einer völlig neuen Region zu verorten, wo sie bisher noch gar nicht "schreiberisch" unterwegs waren?

Das mit einer neuen Region ist sicherlich interessant und auch reizvoll, aber ich muss diese Region, in der meine Geschichten spielen, kennen. Denn wenn ich eine Region nur durch Internet-Recherche kenne, dann würde jeder, der die Region wirklich gut kennt, sagen: "Ah, sie kennt die aber nicht richtig!" Ich nehme als Beispiel immer gern die Nordseeküste, wo ich lebe: Wenn es hier regnet, dann regnet es von vorne, von hinten, von der Seite, von schräg - durch unseren Wind kommt der Regen hier einfach von überall her. Wenn ich aber in Graz bin, also in der Steiermark, dann kommt der Regen tatsächlich von oben, weil es da diesen Wind gar nicht so gibt, den wir hier haben. Wenn ich das jetzt nicht wissen würde, wenn ich noch nie in Graz gewesen wäre, oder vielleicht nur kurz, dann hätte ich vielleicht, wenn ich da einen Regen beschrieben hätte, den auch so beschrieben, wie ich den von hier kenne. Jeder, der die Steiermark kennt, würde sagen: "Das haut überhaupt nicht hin!" Dementsprechend muss man Regionen gut kennen, bevor man sie als Schauplätze für Romane erschließt.

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