"Ever & After. Der schlafende Prinz": Wenn alte Märchen neu erzählt werden

Märchen vorzulesen oder zu erzählen, ist seit Generationen ein festes Ritual in vielen Familien. Einige Stimmen kritisieren aber inzwischen, dass die oft grausamen Geschichten nicht mehr in die heutige Zeit passen. Doch Märchen haben das Potenzial, ganz neu, ganz anders erzählt zu werden - etwa in Ever & After. Der schlafende Prinz von Stella Tack, als Hörbuch erschienen bei GOYAlibre.

Wie es mit Schneewittchen weitergeht, verrät das Märchen erst einmal nicht. Wir wissen es jetzt! Die Familie von Rain White, der Protagonistin von Ever & After. Der schlafende Prinz von Stella Tack, stammt von Schneewittchen ab. Das macht Rains Leben nicht gerade einfach. Und dann muss sie auch noch einen schlafenden Prinzen küssen. An ihrem 18. Geburtstag steigt sie hinab in die Gruft unter dem Tower of London, wo der Prinz auf sie wartet - und Rain löst eine Katastrophe aus. Sie weckt mit ihrem Kuss zwar den Prinzen auf, aber auch einen uralten Fluch. Um die Märchenfamilien zu retten, muss Rain sich sieben Prüfungen stellen. Und dabei darf sie nicht vergessen, dass ihr Herz ihre größte Schwachstelle ist.

Stella Tack

Ever & After. Der schlafende Prinz

Teil 1

Mit einer Familie, die von Schneewittchen abstammt, ist Rain Whites Leben schon kompliziert genug. Nun muss sie auch noch einen schlafenden Prinzen küssen! Doch als Rain an ihrem 18. Geburtstag in die Gruft unter dem Tower of London hinabsteigt, löst sie eine Katastrophe aus ...

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Wissenschaftler*innen unterscheiden zwischen zwei Arten von Märchen: Volksmärchen und Kunstmärchen. Volksmärchen wurden mündlich überliefert, die Urheber sind nicht bekannt. Die Brüder Grimm haben die deutschen Volksmärchen aufgezeichnet. Kunstmärchen wurden von bekannten Schriftsteller*innen verfasst, etwa Hans Christian Andersen.

Märchen liegt in aller Regel eine ähnliche Erzählstruktur zugrunde: die sogenannte Heldenreise. Grob beschrieben: Den/die Protagonist*in ereilt ein Ruf zum Abenteuer. Er oder sie bekommt übernatürliche Hilfe. Es gibt eine Schwelle (auch nur symbolisch), die überschritten werden muss. Dadurch verändert sich die Hauptfigur, ist mit Herausforderungen und Versuchungen konfrontiert. Weitere Schritte der Heldenreise sind eine Offenbarung, Sühne und Versöhnung und schließlich die Rückkehr samt Belohnung. Bis heute basieren viele Fantasy- und Science Fiction-Erzählungen ungefähr auf diesem Schema.

Warum können sich viele Menschen mit den in Märchen erzählten Geschichten identifizieren? Laut der Literaturwissenschaftlerin Milena Maren Röthing haben Märchen unter anderem durch ihre Eindimensionalität ein hohes Identifikationspotenzial. Viele Figuren in Märchen haben keine Namen. Wie alt sie sind, ist nicht bekannt. Ihre Charaktereigenschaften sind wenig spezifisch. "Sie treten sozusagen als Hülle auf, die von den Rezipierenden gefüllt werden kann", sagte Röthing in einem Vortrag mit dem Titel "Es war einmal? Märchen und gegenwärtige Kinder- und Jugendliteratur" an der Universität Hildesheim, der auf der Website der Universität nachgelesen werden kann. Zudem könnten die meisten Märchen überall spielen. Es gibt zwar Handlungsorte - ob das Hexenhaus, der Wald oder das Schloss - aber diese sind nicht genauer geographisch verortet.

Aus Märchen können Leser*innen auch etwas lernen. Einige Beispiele hat die Autorin Hanna E. Lore in einem Artikel für das österreichische Weekend Magazin zusammengestellt. Ein Punkt: Märchen sind Geschichten von Hoffnung und Mut. Bei Problemen gibt es immer einen Ausweg, das Gute gewinnt. Die Bremer Stadtmusikanten etwa lassen sich etwas Schlaues einfallen, um die Räuber zu verjagen. Der Bildungskanal ARD alpha zitiert in diesem Zusammenhang die Märchenforscherin Prof. em. Kristina Wardetzky von der Universität der Künste in Berlin, die sagte: "Das Märchen ist die einzige poetische Form, in der das Böse am Ende verschwunden ist. Und zwar für immer, ohne Wiederkehr."

Zudem, so die Autorin Hanna E. Lore in ihrem Artikel, fördern Märchen bei Kindern die Fantasie. Es gibt Hexen, Riesen und Zwerge, Tiere können sprechen. Dem, was erzählt wird, sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Des Weiteren können Märchen zeigen: Es ist mutig, die Wahrheit zu sagen. Die Autorin führt dafür als Beispiel das Märchen Des Kaisers neue Kleider an: Nur ein Kind traut sich, dem Kaiser zu sagen, dass er eigentlich nackt durch die Stadt läuft. Zu guter Letzt geht die Autorin auf das Märchen Die kleine Meerjungfrau ein. Die Meerjungfrau wünscht sich sehnlichst, den Prinzen zu heiraten, und lässt sich dafür durch Zauberei Beine anstatt des Fischschwanzes wachsen. Der Prinz entscheidet sich für eine Andere. Wenn die Meerjungfrau den Prinzen tötet, könnte sie sich von ihrem Fluch befreien. Doch sie tötet ihn nicht. Obwohl sie das, was sie am meisten wollte, nicht bekommt, bleibt sie reinen Herzens. Sie macht das Beste aus dem, was bleibt. Das hält die Autorin für eine wichtige Aussage.

Das reine Herz spielt auch in Ever & After. Der schlafende Prinz eine Rolle. Alle Märchenfiguren haben in der Geschichte Gaben von den Göttern erhalten. Die Gabe, die Schneewittchen - die Vorfahrin der Protagonistin Rain - erhalten hat, ist die Gabe des reinen Herzens.